Eine Hausse wird im Pessimismus geboren
In Zeiten wirtschaftlicher Krisen ist es für viele Anleger wichtig, ihr Vermögen in einer gewissen Sicherheit zu wissen. Während die Inflation das Ersparte auf dem Bankkonto entwertet, unterliegen renditeorientierte Aktienstrategien teilweise starken Wertschwankungen.
Die Stimmung unter den Aktionären ist aktuell sehr schlecht. Viele Stimmungsindikatoren zeigen ein so negatives Niveau an, wie es schon seit Jahren nicht mehr beobachtet werden konnte. Kein Wunder, wird man doch täglich mit hohen Energiepreisen, dem andauernden Ukraine-Krieg, steigenden Kreditzinsen und dauerhaft hohen Baukosten konfrontiert. Und in den nächsten Wochen, mit Beginn des Herbstes, wird wohl wieder Covid um die Ecke schauen. Diese Ängste und Sorgen führen schon seit Beginn des Jahres zu erhöhter Skepsis gegenüber Investments wie Aktien und haben in diesem Jahr zu fallenden Aktienkursen und zu einer Baisse, also einer Phase stark fallender Kurse, geführt.
Grundsätzlich tendieren Anleger dazu, zu bereits stark gedrückten und eingebrochenen Aktienkursen zu verkaufen und den Abwärtstrend damit nochmals zu beschleunigen. Schließlich sieht die ganze Welt so trübe aus, dass sich Anleger keine Erholung mehr vorstellen können. Börsen-Altmeister Andre Kostolany, brachte diesen Zusammenhang folgendermaßen auf den Punkt:
„Die Börse reagiert gerade einmal zu zehn Prozent auf Fakten. Alles andere ist Psychologie.“
Und in der Tat kann man modellhaft den Verlauf eines Aktienmarktes oder einzelner Aktien und die damit einhergehende Gefühlswelt der Anleger sehr gut aufzeigen:
Immer wenn Aktienkurse steigen, werden Anleger gierig und in den Phasen fallender oder niedriger Aktienkurse haben Anleger Angst.
Aktuell befinden sich die Aktienkurse im grünen Feld und zeigen damit an, dass Aktien jetzt billig zu haben sind. Eine Phase also, in der man eher zugreifen und nicht verkaufen sollte. Die in der Graphik in der Mitte durchgezogene schwarze Linie zeigt nämlich den intrinsischen Wert an, also den inneren bzw. gerechtfertigten Wert des Aktienmarktes. Wenn die Kurse psychologisch bedingt darunter liegen, kann man die entsprechenden Aktien billig kaufen. Was den deutschen Aktienmarkt anbetrifft, so liegen die Kurse inzwischen unter ihrem fairen Wert – noch Ende 2021 waren diese fair bewertet.
Langfristig kann man sehr gut aufzeigen, dass Aktienkurse um die tatsächliche Gewinnentwicklung der einzelnen Aktiengesellschaften oszillieren. In der Hausse und vor allem in optimistischen Phasen werden Anleger gierig und treiben die Kurse über diesen fairen Preis hinaus, in pessimistischen Phasen fallen die Aktienkurse unter die Gewinnentwicklung. Sehr schön wird das in der nächsten Graphik aufgezeigt. Auf dieser Graphik wird der Verlauf von Aktien (Stocks), festverzinslichen Wertpapieren (Bonds), kurzfristige Staatsanleihen (Bills), Gold und der Währung “Dollar“ im Verlaufe von 200 Jahren gegenüber gestellt:
Immer wenn die Aktienkurse (blau) der Gewinnentwicklung der Wirtschaft (rot) davonlaufen, herrscht tendenziell eine euphorische Phase die zu übertriebenen Aktienkursen führt. Solche Phasen werden aber dann immer wieder korrigiert, wobei die Aktienkurse im Einbruch psychologisch bedingt nicht an der roten Linie Halt machen, sondern – emotional bedingt – darunterfallen.
Und auch für dieses Phänomen hatte Kostolany einen guten Vergleich parat:
„Mit der Wirtschaft und der Börse verhält es sich wie mit dem Mann und seinem Hund beim Spaziergang. Der Mann läuft langsam und gleichmäßig weiter. Der Hund läuft vor und zurück. Aber beide bewegen sich in dieselbe Richtung. Der Mann ist die Wirtschaft, der Hund die Börse.“
Auf einem dann gedrückten Niveau werden sich dann die ersten eher professionellen Marktteilnehmer der Unterbewertung bewusst und fangen an billig zuzugreifen – es entsteht die nächste Hausse. Investmentlegende Sir John Templeton hat dies so auf einen Nenner gebracht:
„Eine Hausse wird im Pessimismus geboren, wächst in der Skepsis, reift im Optimismus und stirbt in der Euphorie.“